+ Der normale Irrsinn +

 

>> "Spieglein, Spieglein" (vom 01.07.`17)

>> "Vampires of creativity" (vom 04.07.`17)

>> "Kleiner Exorzismus" (vom 31.07.`17)

               ++ Spieglein, Spieglein ++

Was schreibt jemand, der es liebt zu schreiben, wenn es wirklich darauf ankommt?

Manche meinen, die hohe Kunst wäre es, ein gutes Buch zu schreiben. Das kann ich guten Gewissens verneinen, denn genau DAS liegt mir. Ein Buch besitzt eine Storyline, ein Buch besitzt einen Protagonisten, Sidekicks und einen Antagonisten, es besitzt einen Plot und viele kleine Plotpoints. Ein Buch erzählt eine Geschichte, die sich Zeit nehmen kann, um erzählt zu werden. Der Autor kann mit Worten spielen, kann sich Frechheiten herausnehmen, kann provozieren, kann morden, kann schmeicheln – er ist frei in allem, was sein eigenes Herz bewegt. In erster Linie versucht er sich selbst eine großartige Geschichte zu erzählen, er liebt und hasst seine Charaktere, er lässt sie sich entwickeln, er stellt sie vor Abgründe und erlaubt ihnen, sich in die Lüfte zu erheben und aus den widrigsten Situationen zu entfliehen.

Doch das hier ist kein Buch und ich genieße nicht die Bequemlichkeit der Ruhe und Freiheit. Ein Blog muss ausschließlich anderen gefallen, muss reißerisch sein, muss in jedem Fall provozieren, jedoch nur in einem geduldeten Maß. Wie dieses Maß aussieht, erfährt sein Autor meist erst im Nachhinein, wenn das Geschriebene entweder ignoriert oder zerrissen wird. „Haters gonna hate!“ Mag sein, dass man sich mit diesen Worten beruhigen kann, denn irgendwer wird immer etwas gegen die Dinge sagen, die man mit den besten Absichten kreiert: Worte, Bilder, Musik, Darstellung, Sport… was auch immer jemand an die Öffentlichkeit trägt, wird von irgendwem verabscheut werden. Das ist der Lauf der Dinge, damit muss man sich abfinden. Die Leichtigkeit der Internetpräsentation (in diesem Fall ein Blog) macht es den Menschen leicht, einen anderen auszugrenzen, ihn zu kritisieren, ihm verbale Gewalt anzutun. Niemand möchte es erleben, und doch ist es der elende Alltag eines jeden, der sich der öffentlichen Meinung stellt.

Also frage ich mich, wie weit ich gehe und wie interessant ich sein kann, wenn ich die Kurzweiligkeit des Internets nutzen muss, um mich mitzuteilen. Sei von dir selbst überzeugt – das ist zumindest ein sinnvoller Grundgedanke, den ich haben sollte, wenn ich mich dem heutigen Schreib- und Mitteilungstrend anpassen will. Die Qualität meines Schreibens zweifle ich also schon mal nicht an, sehr gut! Aber wie steht es mit der Kreativität, mit den spontanen und kurzweiligen Einfällen, die den Nerv der Allgemeinheit treffen? Kann ich diese Dinge finden… und will ich das überhaupt?

Ich bin kein Liebhaber von Selbstdarstellung, ich mag keine Übertreibungen und ich interessiere mich auch nicht für jeden Scheiß, der gerade topaktuell ist. Schiebt euch eure sozialen Netzwerke in den Allerwertesten, whats-appt mit jemand anderem, postet ruhig eure food-pics so viel ihr wollt. Wenn das die Welt ist, die mit coolen Sprüchen und lächerlichen Poserselfies bedient werden will – da bin ich wohl die Falsche. Das findet ihr hier nicht und ich interessiere mich auch nicht für dieses Flachwassergeplansche.

Zeigt mir lieber, was ihr seht, was euch gefällt, was eine Bedeutung für euch hat! Zeigt mir Stille, zeigt mir Lärm, zeigt mir Emotionen.

20 Foodpics am Tag, 7 Selfies und tiefgründige Sprüche auf Sonnen-untergangsbildern – das ist es nicht, was ich damit meine. Fotografiert eure eigenen Sonnenuntergänge, dreht ein Video, in dem ihr nicht redet, fotografiert Blumen mit Hummeln, erzählt von Menschen, die ihr auf euren Reisen getroffen habt, rührt andere zu Tränen mit schönen Worten, die euch heute durch den Kopf gegangen sind, und bringt sie zum Lachen mit etwas, das nicht lächerlich ist. Das ist Kreativität, denn es ist echt!

Nun gut, also versuche ich auch hier echt zu sein, ich werde mir treu bleiben. Damit bleibe ich bei meiner Eigenart, für andere ein Spiegel zu sein. Ich will nicht um jeden Preis kritisieren oder provozieren, aber ich bin gern ehrlich. Nicht im Sinne gewisser unterirdischer Comedians („Kennste, kennste?“) oder alá Poetryslam, was zurzeit ja DAS Sprachrohr in Deutschland zu sein scheint. All das bedeutet mir nichts und ich werde es auch nicht nachahmen. Ich mache mein Ding, bemühe mich um einen roten Faden, und wenn er mir mal runterfällt... pfft, auch gut.

Meine Einleitung zu einem Blog, den ich nie hatte schreiben wollen, ist sicherlich nicht die gelungenste, aber sie steht. Sie erzählt keine Geschichte, besitzt keinen erkennbaren Plot und der Protagonist ist ebenso der Antagonist, was das Ganze deutlich erschwert. Habt ihr es erraten? Me, myself and I. Selbstverständlich wird sich alles um meine Gedanken und Sichtweisen drehen, aber wie es sich für einen ordentlichen Schriftsteller gehört, stehe ich mir auch selbst im Weg. Mögt ihr mich verabscheuen, ignorieren oder schlichtweg gelangweilt von mir sein – ich kann das wegstecken, denn ich habe meinen eigenen Kritiker im Ohr, der mich lauter anbrüllt und heftiger beleidigt als ihr es jemals könntet. Auch geht es hier nicht um likes, es geht vielmehr darum, dass meine analogen Gedanken, Wünsche und Krisen ihren Weg in das digitale Wirrwarr finden, das der Welt mehr nimmt als es ihr gibt.

             ++ Vampires of creativity ++

Vampire, Blutsauger, Energiediebe – nennt sie wie ihr wollt. Es sind die Könige des Alltags, die Rechnungsschrei-ber, die Abzocker, die Ankläger, die Urteiler, die Bedränger, die Missgönner. Zu finden sind sie in so ziemlich jedem Aspekt des Lebens, denn sie kriechen selbst in die Privatsphäre wie Parasiten, saugen sich fest und nehmen sich das, was einem zum Leben wichtig ist.

In meinem Fall spreche ich nicht von Blut. Ich meine die Kreativität, die Quelle meiner Energie und meine Lebensessenz. Sie ist ein fragiles Wesen, das in mir lebt und die Möglichkeit hat zu wachsen, sie kann aber auch schrumpfen, kann sich beleidigt zurückziehen und mich ignorieren.

Im Grunde bin ich selbst schuld daran, wenn sie nicht mit mir spricht, denn ich höre ihr einfach nicht richtig zu. Aber es ist auch so verflucht schwer zuzuhören, wenn man sich im Kampf befindet. Sich gegen Vampire zu verteidigen ist Schwerstarbeit, denn wenn es nach diesen elenden Blutsaugern geht, ist man verdammt.

Doch ich sitze hier, kämpfe mit dem einen Arm und schreibe mit dem anderen. Meine Situation scheint ausweglos und für viele wäre sie es auch – doch nicht für mich. Ich gönne mir einen Moment der Schwäche, doch meine Ziele verliere ich nicht aus dem Blick. Im Gegenteil. Ich erschaffe mir noch ein paar neue dazu, schlage anschließend umso härter zurück und beiße sogar zu. Denn das ist es, was kein Vampir erwarten würde: Selbst gebissen zu werden.

 

Gut, meine Beschreibung ist vage und voller Phrasen, doch es würde zu weit führen, mich an dieser Stelle über Behörden, ehemalige Arbeitgeber und den Rest der Welt zu beschweren. Da ich im Zentrum meines momentanen Desasters stehe, sollte ich mich auch gänzlich auf mich selbst fokussieren. Was will ich und wie kann ich es erreichen? Grundsätzlich sollte nur diese Frage zählen und damit klopfe ich mir den Staub der gepfählten Vampire von der Kleidung und blicke in den Sonnenaufgang - dort, wo sie keine Chance haben, auf mich zu lauern.  

 

 

"si vis pacem, para bellum" - wenn du Frieden willst, bereite Krieg vor

   ++ kleiner Exorzismus ++

Da lebt er nun, ein Teufel, tief im Geist verankert. Er weiß genau, wo die Schwachpunkte sitzen, kennt den roten Knopf, der einen Krieg auslöst und er spielt auf den Nervensträngen wie auf einer Harfe.

 

Ich habe diesen lästigen kleinen Untermieter, wie so viele andere. Er nimmt immer den letzten Schluck der Milch im Kühlschrank, summt den ganzen Tag unerträgliche Ohrwürmer, er schnarcht laut und braucht das Klopapier auf, er lüftet nie und bringt auch nicht den Müll raus, er bekommt noch spät lauten Besuch und ernährt sich von Mettbrötchen mit frischen Zwiebeln. Ich kann ihn also nicht leiden!

Zeit meines Lebens tüftle ich an Tricks, die ihn aus dem Haus locken, die ihn beschäftigen, die ihn im Zaum halten. Mal habe ich Erfolg damit, mal entsteht daraus ein erbitterter und blutiger Kampf. Der kleine Dreckskerl liebt es mir Dinge aufzuzeigen, die für mich unkontrollierbar und schmerzhaft sind. Also gehe ich zum Briefkasten und angle mir einen Reiseprospekt heraus. Ich hoffe auf eine nette kleine Pauschalreise, die verlockend genug für ihn ist, um sie wahrzunehmen. Hauptsache, er fährt für ein paar Tage weg und schickt keine Postkarte.

In meiner Jugend war er überaus hartnäckig, wollte nie von zuhause weg, blieb immer an meiner Seite. Ich hatte schon überlegt, selbst auszuziehen, hatte für immer gehen wollen… doch auch das hat er nicht zugelassen. So ist das mit dem Teufel: Er provoziert dich und spuckt dir ins Gesicht, aber wenn du schwächelst, tritt er dir kräftig in den Arsch und zwingt dich weiterzumachen (oder in seinen Worten: „Sei nicht so ein Waschlappen und hau den anderen aufs Maul, verdammt noch mal!“). Ich bin damals also nicht ausgezogen und habe stattdessen weitergemacht.

Kürzlich hat unser Zusammenleben erneut dazu geführt, dass ich habe gehen wollen. Doch diesmal ist er von selbst zum Briefkasten gegangen und hat sich einen Prospekt herausgeholt. Es war nichts Sinnvolles darin, aber er hat mir zumindest den Gefallen getan und sich ein Karibikposter für sein Zimmer bestellt. Und nun sitzt er hinter verschlossener Tür und genießt seinen Scheinurlaub. Ich weiß, dass er da ist, ich höre ihn, wenn auch nur gedämpft. Ich rieche ihn, auch wenn er einen Lufterfrischer an die Zimmertür gehängt hat. Ich rechne ihm an, dass er mich so wenig wie möglich belästigt, und doch weiß ich, dass er nicht ewig da drinbleiben wird. Nun habe ich die Wahl: Fokussiere ich die Tür und warte, dass er herauskommt, oder nutze ich die Zeit, die ich habe, und genieße die scheinbar sturmfreie Bude? Selbstverständlich letzteres! Also versuche ich meinen Blick von der Tür abzuwenden und so zu tun als gäbe es diesen Raum gar nicht. Ich versuche lauter zu sein als er. Ich versuche gutes Essen zu kochen, dessen Duft die Wohnung erfüllt. Wenn jemand nach ihm fragt, schlage ich ihm die Tür vor der Nase zu.

Ich überlege ein Instrument zu erlernen, vielleicht kommt wieder ein Hund ins Haus, ich könnte auch die Wohnung renovieren und die Möbel umstellen. „Kleiner Exorzismus“ nenne ich diesen Plan.

 

Umgib dich mit Dingen, die dir Freude machen, tu etwas, das du liebst und verfolge deine Ziele, ganz gleich, wie weit sie entfernt sein mögen. DAS ist Exorzismus! Das ist Überleben. Das ist Gewinnen.

Del O´Brennan

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